Varroatoleranz




Hier wird das "Projekt Landbiene" ausführlich vorgestellt. Verbesserungsvorschläge bitte im Unterforum "Diskussion des Projektes" veröffentlichen..

Varroatoleranz

Beitragvon hanjoheyer » Sa 28. Aug 2010, 09:11

Eine Art VORWORT

- Im ersten Posting kritisiere ich die Züchterideologie
- Es werden einige Imker vorgestellt, die behaupten, bereits milbentolerante, bzw. resistente Bienen zu haben.
- Auf S. 2 wird über den bei Insekten verbreiteten "Winterstarre-Effekt" berichtet, der nun auch bei Bienen beobachtet werden konnte.
- Auf S. 3 wird über "Doppelten Brutstopp" und "Zwischenbodenableger" zur biol. Milbenbekämpfung diskutiert.

In http://www.hanjoheyer.de/aktuelles29.html hatte ich folgendes geschrieben:

(In diesem Beitrag taucht der Name "Sarrazin" auf. Er begreift sich als Menschenzüchter, der gleich manchen Bienenreinzüchtern mittels scharfer Auslese eine edlere, leistungsfähigere Rasse erzeugen will. Ich kritisierte Sarrazin, indem ich sein Menschenzuchtprojekt mit der Bienenzucht verglich.)

Ich habe im Jahre 2007 das Imkern für mich entdeckt und habe, wie es meine Art ist, mich ausgiebig in Imkerforen umgetrieben und mich ausgiebig mit Imker- und Bienenliteratur beschäftigt. Es dauerte nicht sehr lange, bis ich merkte, dass es im Imkereiwesen nicht nur einen, sondern viel zu viele Sarrazins gab und gibt: die Bienenzüchter! Die Literatur erweckt den Eindruck, als bestehe die gesamte Imkerschaft aus Bienenzüchtern, statt aus -haltern, und jeder "Experte", der etwas auf sich hält, versucht seine Leserschaft zur Züchtung (Auslese der Schwachen) zu animieren. Ich selbst wurde auch kurze Zeit von diesem Züchtervirus infiziert, merkte dann aber recht schnell, dass dieses Züchten eine Sackgasse ist.

Was ich von den Bienen lernte, war, dass wir Imker nur sehr, sehr vorsichtig züchterisch eingreifen sollten, da die Natur sehr viel komplexer ist, als wir uns in kühnsten Träumen vorstellen können. Wir können gar nicht wissen, was wirklich für den Bien und uns, die Imker, gut ist. Unsere Zuchtziele sind allesamt ideologiebelastet und meist irreführend. In allen Büchern und Zeitschriften steht, man solle schwache Völker abtöten, wobei es bei Bienen meist ausreicht, die Königin umzubringen und durch eine andere zu ersetzen oder die Königin zu töten und das Volk mit einem starken Volk zu vereinigen. Immer wieder steht zu lesen: Das Schwache muss ausgemerzt werden, sonst vermindern sich die Honigernten.

11.5.13: Andererseits fordern mitunter dieselben Imker, die die schwachen Völker ausmerzen, dass man den Bien ohne Schleier bearbeiten müssen könne. Indem sie absolute Friedlichkeit fordern und nach diesem Kriterium Auslese betreiben, züchten sie schwache Bienen. Letztens sagte mir ein Imker, er lehne Keefus' varroaresistente Bienen ab, da sie Stecher seien und weniger Honig sammeln würden! Er bestritt, dass es einen Zusammenhang von Varroaresistenz und Wehrhaftigkeit geben könne!

Außerdem war er der Ansicht, dass es kein Varroaproblem gebe, da "wir über gute Medikamente - Ameisensäure, Oxalsäure - verfügen. Er warf mir Panikmache vor. Ich hingegen warf ihm vor, zu verhindern, dass der Bien von sich aus varroaresistent werden könne, und dass er die weitere Schwächung des Biens in Kauf nehme. Erst schwäche er den Bien durch Säuren und Auslese nach Friedlichkeit, und dann merze er schwache Völker aus, und dann nenne er sich auch noch Bienenfreund! Verrückt!

Ein anderer Imker bemerkte bei der Durchsicht seiner Völker, dass die Brutwaben eines Volkes sehr viele Löcher aufwiesen. Hier wurde offensichtlich viel Brut ausgeräumt. Löchrige Brutfelder sind ein Hinweis auf Milben. Der Imker interpretierte das als negatives Zeichen: Das Volk müsse sofort behandelt und umgeweiselt werden. Ich zog den entgegengesetzten Schluss: Die Bienen erkannten erfolgreich infizierte Brut und räumten sie aus! Ich hätte mich über dieses Brutbild gefreut und hätte dieses Volk wie gehabt 2 x mit AS behandelt (s. "Meine Betriebsweise"). -

Mir aber geht es nicht ausschließlich um hohe Honigerträge meiner Bienenvölker! Ich will auch gesunde Bienen haben. Seit über 30 Jahren steht die Weltimkerschaft im Krieg gegen die vor etwa 30 Jahren hier eingeschleppte Varroamilbe. Die Wissenschaft hat es zwar geschafft, biotechnische Verfahren und Medikamente gegen die Milbe zu entwickeln, aber es kann kein Dauerzustand bleiben, dass wir auf diese Mittelchen angewiesen sind. Wir brauchen eine gesunde, also eine varroaresistente, Biene. Es ist anzumerken, dass die Biene, auf sich allein gestellt, diese Resistenz sehr wahrscheinlich längst entwickelt hätte; es ist das Gesamtsystem Biene-Imkerschaft, das die Varroaresistenz bisher nicht zu erreichen vermochte. Der Mensch verhindert mit seinen Medikamenten (Ameisensäure, Oxalsäure, u.a.) derzeit die Resistenzwerdung des Biens gegen diesen Schmarotzer. Würden wir ab sofort alles richtig machen, müssten wir in Kauf nehmen, einige Jahre Honigeinbußen zu erleiden. Alle Imker würden jedes Jahr bis zur Hälfte ihrer Völker verlieren. Erst nach zehn Jahren - vielleicht - würden sich die Überlebensquoten verbessern. Von den Überlebenden wären über etliche Jahre geringere Ernten zu erwarten. Mit anderen Worten: dDe Berufsimker müssten über Jahre große finanzielle Einbußen hinnehmen. Das ist das Problem. Es wird mit Medikamenten und nichtresistenten Bienen weitergemacht, weil das wirtschaftliche Überleben der Berufsimker davon abhängt.

Ich bin jedoch überzeugt, dass auch Berufsimker mit der von mir vorgeschlagen Minimalmehthode - ein Kompromiss, bei dem medikamentell behandelt wird, allerdings mit im Laufe der Zeit sinkenden Dosierungen - gut über die Runden kommen könnten.

Ich habe nun in wissenschaftlichen Publikationen gelesen, dass die Bienen diverse Verhaltensweisen an den Tag legen, um die Schmarotzer, die sich vom Blut der Bienen ernähren und sich in der Bienenbrut vermehren, loszuwerden. Die Bienen, die Resistenz entwickeln, räumen mehr befallene Brut aus, als die nichtresistenten. Außerdem verlassen milbenbesetze Bienen, die dabei sind, Resistenz zu entwickeln, ihr Volk und kehren nicht mehr zurück.

Folge: Diese Völker, die im Begriff sind, erfolgreiche Abwehrstrategien zu entwickeln, werden im Pupulationswachstum stark gebremst. Sie bleiben in ihrer Entwicklung weit hinter den anderen, den nichtresistenten, die mit Medikamenten behandelt werden, zurück. Honigernten sind von ihnen nicht zu erwarten. Leider werden genau diese Bienenvölker von den Imkern als schwach deklariert und ausgemustert. Hinzu kommt die Gepflogenheit der Imker, ihre Völker durcheinanderzumischen. Da werden Völker vereinigt, Sammelbrutableger gebildet, Völker mit Brutwaben aus anderen Völkern verstärkt usw.. Ich selbst habe solche Dinge auch gemacht. ABER: Die Milben gehen aus derartigen Praktiken genetisch verstärkt - aggressiver - hervor. Vermischt man die Völker nicht, gibt es bei den Milben (nicht bei den Bienen!) viel mehr Inzucht, was die Milben schwächt und ihre Vermehrungsrate senkt. Soweit meine Erfahrungen. Jetzt die Konsequenzen:

Wir sollten viel mehr der Natur vertrauen und sollten mit unseren Theorien, besonders der Evolutionstheorie, vorsichtig umgehen. Unsere Bienenreinzüchter, die Nazis, die Sloterdijks und die Sarrazins mit ihren Menschenzüchtungsprogrammen, aber auch unsere Bienenzüchter, sie alle vertreten eine Billigvariante einer falsch verstandenen Evolutionstheorie. Die Evolution selbst funktioniert völlig anders, als Menschenreinzüchter Sarrazin und diese Bienenreinzüchter glauben. Die Natur will eine möglichst große genetische Bandbreite. Sie will einen möglichst großen Genpool, der ein möglichst großes Verhaltensspektrum zulässt. Aus diesem Grund erzeugt die Natur des Menschen Exemplare, die in Sarrazins Augen wertlos sind und als nicht förderungs- und vermehrungswürdig erachtet werden. Für Sarrazin sind nur jene Menschen gute Menschen, die ihr Leben vollständig ihrer Karriere widmen und ihren ach so edlen Nachwuchs fremdbestimmten Fachkräften von Kitas und Ganztagsschulen abliefern. Sarrazins Welt besteht ausschließlich aus Wirtschaft und Karrieristen. Wer nicht erfolgreich hinter dem Geld her jagt, ist minderwertig und muss nach Sarrazin an der Reproduktion gehindert werden - durch Aushungern am besten. Nach Sarrazin ist es sicher am besten, kein Geld nach Pakistan zu spenden. Wir sollten besser die Gelegenheit beim Schopfe packen, evolutionstechnisch Oberhand zu behalten. Mit der Flutkatastrophe in Pakistan sind wir mindestens 20 Millionen Konkurrenten losgeworden. Ich möchte diesen Mann gern fragen, was er von diesen Spekulanten, die die Welt an den wirtschaftlichen Abgrund führen, hält. Sind sie Leistungsträger oder Schmarotzer, die man mit der Varroamilbe vergleichen sollte? Woher will Sarrazin wissen, dass die Rettung auch seiner Welt nicht von einem gutbezahlten Edelsklaven, einem Karrieristen, kommt, sondern womöglich von einem Menschen, der sich der Versklavung und Gehirnwäsche verweigert und durch eigenständiges Denken nach Antworten auf Menschheitsfragen sucht? Es sei hiermit ausdrücklich Herrn Sarrazin gesagt: Es gibt Menschen, die neue Wege ausprobieren und mitunter dabei scheitern. Für diesen kurzsichtigen Sarrazin sind die Gescheiterten Selektionskandidaten mit verwirktem Lebensrecht. Die neue Wege werden vom großen Heer der Menschheit, den Mitläufern und ihren Sprachrohren, den Sarrazins, nicht verstanden und meist nicht toleriert. Die wahren Pioniere werden nicht gefördert, nicht bezahlt, im Gegenteil: Man wirft ihnen Knüppel zwischen die Beine, wenn man sie nicht steinigen oder verbrennen darf.

Auch Extrembergsteiger gehen neue Wege. Sie wollen die Grenzen der Welt überschreiten und enden mangels Phantasie und Philosophie auf dem Mount Everest. Auch Spekulanten wie Soros gehen neue Wege. Sie wollen testen, ob sie mit der Erschaffung virtuellen Vermögens die materielle Welt auf den Kopf stellen können. Sie wollen, um sie mit den Imkern zu vergleichen, von Bienen- zu Milbenzüchtern werden. Sie wollen maximale materielle Macht, also maximale Zerstörung. Bisher war alle materialistische Macht eine rein zerstörerische. Ich habe noch keinen Materialisten kennengelernt, der Neues aufbauen konnte. Alle sind sie Zerstörer. Die wirklichen Erneuerer, die Weltenbauer, jene, die im und am Geist arbeiten können, arbeiten unsichtbar und leise. Niemand kann sie bemerken. Und ich sage dir, Sarrazin: Du würdest sie eliminieren, wenn es nach dir ginge. Du würdest alles tun, sie ins materielle Elend zu treiben und dort zu halten, denn das ist sicher: Die wahren Kreativen begnügen sich nicht mit deinem ach so primitiven Weltmodell. Die wahrhaft Schöpferischen sitzen nicht in Kanzlerämtern, in Bankvorständen oder in Konzernzentralen, und ihre Kunstwerke sind in keinem Museum und keiner Galerie zu bewundern. Sie sitzen missachtet in ihren kleinen bescheidenen Buden, verachtet von den Erfolgreichen, lebend meist unter dem sogenannten Existentzminimum. Man wird sie eher unter Hartzern und anderweitig Verelendeten finden, als unter Edelsklaven wie dich.

(27.8.) Außerdem hat Sarrazin offenbar noch nichts von evolutionär entwickelten Sozialsystemen gehört - sonst würde er die soziale Komponente der Evolution nicht bekämpfen. Mensch und Biene sind staatenbildend. Die Individuen bekämpfen hier nicht einander, sondern arbeiten zusammen. Das vergrößert den kollektiven Genpool und erweitert die Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Umwelten. All dies ignoriert Sarrazin. Für Sarrazin befinden sich alle Menschen in einem Wettrennen. Wer abgehängt wird, verliert sein Lebensrecht. Was aber, Herr Sarrazin, wenn sich die Wettrennenden unbewusst einem Abgrund nähern? Dann könnten die Zurückgebliebenen und jene, die Seitenwege ausprobieren, bessere Alternativen anbieten, als die hetzende Masse, die sich, falls sie nicht gehindert wird, in den Abgrund stürzt.

Kartoffeln

(27.8.) Gestern sah ich eine Aufzeihnung eines Filmes über die Kartoffel (25.8., 22.15 Uhr, Abenteuer Wissen, ZDF: "Die Kartoffelrevolution"). Hier sagte ein Kartoffelzüchter, der krankheitsresistente Kartoffeln züchtet, sinngemäß, dass es falsch wäre, eine Kartoffel zu züchten, die die Krankheitskeime vollständig abtöten würde, denn dann würden sich schnell neue Erreger entwickeln und die Kartoffel ihre Abwehr verlieren. Besser sei es, die Kartoffel töte nur einen großen Teil der Bakterien ab, aber nicht alle. Die Kartoffel würde eine gewisse Toleranz gegenüber diesen Schädlingen entwickeln - sie in einem bestimmten Maße dulden, ohne zu erkranken - mit der Folge einer dauerhaften Immunabwehrfähigkeit.

Ich denke, selbiges gilt für die Bienen und die Varroamilbe. Es kann nicht um die völlige Ausrottung der Milbe gehen, sondern um eine Milbentoleranz des Biens. Die Bienen können dann die Milbe so kurz halten, dass sie selbst nicht erkranken. Und was in der Tier- und Pflanzenwelt gilt, gilt auch für den Menschen. Auch der Homo Oeconimicus tut gut daran, Toleranz gegenüber Wirtschafts-"Schädlingen" (Hartz-IV-Beziehern) zu praktizieren. Dann kann die Menschheit in Krisen, die von Typen wie Sarrazin aufgrund genetischer Verarmung ausgelöst werden, flexibel und sinnvoll reagieren und lebensrettende Verhaltensweisen an den Tag legen. Der Kapitalismus, besonders die neoliberale Interpretation desselben, reduziert die Denk- und Handlungsmöglichkeiten des Menschen. Der Homo Oeconomicus kann nicht optimal handeln, sondern nur gewinnmaximierend. Das heißt, er zerstört alle funktionierenden Systeme, da Gewinnmaximierung nur möglich ist, wenn einer auf Kosten aller anderen lebt, bis die andern ausgeblutet sind und er selbst schließlich auch sterben muss. Da das Handlungsspektrum eines Menschen mit den Gen-Schaltern seines Erbgutes korrespondiert, bedeutet eine ideologische Reduktion von Handlungsmöglichkeiten, wie sie Sarrazin der Menschheit aufzwingen will, auch eine genetische Verarmung und Schwächung des menschlichen Immunsystems!
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Re: Varroatoleranz

Beitragvon hanjoheyer » Sa 28. Aug 2010, 09:57

Dieser Vorarbeit, die ich vor einigen Tagen geschrieben habe, möchte ich nun hinzufügen, was ich in "die biene" 9/2010, die mich gestern erreichte, fand:

Im Beitrag "Auf der Suche nach der varroatoleranten Biene - Zuchtauslese und neue Wege für die imkerliche Praxis" heißt es, es gebe eine Reihe erfolgreicher Versuche, eine varroatolerante Biene zu bekommen:

1. Mike Allsop berichtet 2007 über die natürliche Auslese varroatoleranter Scutellata-Bienen in Südafrika im Verlauf von sechs bis sieben Jahren, wobei eine ausgeprägte Bruthygiene besondere Bedeutung hat.

2. Tom Seeley aus Nordamerika berichtet 2007 von wild lebenden Bienen, deren Population über Jahre stabil geblieben ist. Seine Untersuchungen deuten darauf hin, dass die beobachtete Resistenz eng an die ungestörte Nistweise in Baumhöhlen gebunden ist.

3. Yves le Conte und Kollegen aus Südfrankreich machten 2007 ähnliche Beobachtungen. Die Milbenpopulation der ohne jede Milbenbehandlung gehaltenen Völker stieg langsamer an, als bei behandelten Vergleichsvölkern. Als Erklärung der Varroatoleranz wird Putzabwehr und Bruthygieneverhalten angegeben. Die Honigerträge der varroatoleranten Bienen seien um den Faktor 1,7 niedriger, als bei behandelten Völkern.

4. Ingemar Fries und Kollegen gaben 2007 an, die Bienenbestände bem Gotlandexperiment, über das ich in diesem Forum bereits viel geschrieben habe, hätten sich nach anfänglichen starken Einbrüchen nun stabilisiert.

5. Auch die Haltung von Primorskibienen, die eine hohe Varroatoleranz aufweisen, wird hauptsächlich in den USA empfohlen. Nur nicht in Deutschland, da die hiesige Imkerschaft mehr Wert auf gute Honigerträge lege. In D konnte sich die Primorskibiene deshalb nicht durchsetzen.

6. Dann weist Büchler, der Autor des Artikels, darauf hin, dass auch in D ohne medikamentöse Behandlung ausgekommen werden kann, wenn man nach der 2. Honigernte einmalig alle Brutwaben entnehme und eine Fangwabe einsetze.

7. Obwohl Büchler 2010 anmerkt, dass im deutschen Projekt der AGT (s. http://www.toleranzzucht.de) es noch "keine einfachen und dennoch zuverlässigen Testmethoden etabliert werden konnten". Trotzdem wünsche er sich die Einrichtung möglichst vieler Toleranzbelegstellen, die nach Büchlers in 6. beschriebenen Methode arbeiten. Die Benutzung von Säuren wird in diesem Verfahren nicht ausgeschlossen.
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Josef Koller

Beitragvon hanjoheyer » Fr 22. Okt 2010, 08:54

Es gibt einen weiteren Toleranzzüchter: Josef Koller http://www.naturlandimker.de/index.html

Ich möchte nun seine Methode unter die Lupe nehmen.

Koller schreibt:


Einleitung

Ich habe mich 1997 mit meiner Imkerei Naturland angeschlossen. In ökologischen Anbauverbänden ist z. B. eine Behandlung gegen die Varroose u.a nur mit Säuren erlaubt. Völker, die noch in Spättrachten standen, hatten meist schlechte Karten. Eine Behandlung im Spätsommer kam meistens zu spät. Dementsprechend waren auch die Verluste, trotz Behandlung. Im Winter 1999 fand ich im Internet die Artikel zu den Versuchen in Amerika mit Primorki-Bienen. Dr. Rinderer berichtete von Bienen, die ohne Varroabehandlung überleben und zur Honigproduktion geeignet sind. Im Sommer 2000 wurden die ersten Primorski-Königinnen aus Amerika importiert. 2001 erfolgte ein weiterer Import. In den Folgejahren wurde mir klar, dass ich in meiner Imkerei mit reinen Primorkibienen nicht weiterkommen würde. Die Völker entwickelten sich langsam und waren erst in der Sommertracht auf der Höhe. Sie setzten lange Zeit viele Schwarmzellen an, die Varroaresistenz oder –toleranz war nicht bei allen Herkünften gleich ausgeprägt. Ab 2001 wurden vor allem Buckfast- und Elgonbienen mit Primorskidrohnen begattet. Aber auch andere Herkünfte wurden getestet. Da meine Völkerzahl nicht ausreicht, auf Dauer vier oder 5 Herkünfte weiterzuführen, beschränkte ich mich ab dem Jahr 2005 auf zwei Herkünfte: Elgon x Buckfast und Elgon x Primorski. Nachkommen dieser Herkünfte überleben nicht nur ohne Behandlung, sie bringen auch Honig und sind weitaus schwarmträger als reine Primorkibienen.

[i]Ich fürchte, Koller erwartete von der Primorski zu viel Gutes gleichzeitig. Sie sollte varroatolerant und fleißig sein. Mir hätte die Varroatoleranz, bestünde sie tatsächlich - fürs erste völlig gereicht. Ich hätte die Primorskis vermehrt und dann sorgfältig selektiert - nach und nach auch hinsichtlich der Honigleistung. Was soll diese sinnlose Kreuzerei? Wer auf allzuviele Ziele hin gleichzeitig selektiert, erhält am Ende gar nichts! Koller sollte auf die Zuchtziele Fleiß und Friedlichkeit solange verzichten, wie er keine varroaresistente Bienen hat.


Besonderheiten

Mir fiel von Anfang an auf, dass die Überlebensrate bei standbegatteten Königinnen nicht geringer war, als bei Königinnen, die auf Belegstellen gezielt angepaart wurden. Ich gehe deswegen mittlerweile davon aus, dass es ein Merkmal Varroaresistenz oder –toleranz nicht gibt! Das gesamte Volk macht den Unterschied. Es spielen viele Faktoren eine Rolle. Es scheint auch so zu sein, dass die Bienen den Umgang mit der Varroa erst lernen müssen. In den Anfangsjahren hatte ich noch etliche Völker, die schon im Sommer oder Herbst zusammenbrachen (schwach, nervös, stechfreudig, Brut, die beim Schlüpfen hängen bleibt, verkrüppelte Bienen). Mittlerweile treten Verluste erst im Frühjahr auf.[/i]

Diese Passage erscheint mir wichtig, da aus ihr hervorgeht, dass es stets auf das gesamte Volk ankomme, und dass man ihm Zeit zum Lernen geben müsse. Außerdem ist festzuhalten, dass Koller nicht auf die Landbiene setzt, sondern auf Kreuzungszucht von Rassen, die als einigermaßen varroatolerant gelten. Das scheint mir etwas widersprüchlich zu sein. Offenbar setzt er mehr auf Herkunft als auf Lernfähigkeit und Volksharmonie.

Selektionskriterien

Völker, die stechen oder sehr nervös sind, haben meist auch zu viele Varroen. Die Volksharmonie ist gestört. Sie entwickeln sich einfach nicht richtig. Dazu kommt, dass diese Völker auch im Sommer große Brutlücken aufweisen. Diese Völker stelle ich auf einen eigenen Stand und entweisele sie. Nach einer Woche, auf jeden Fall, bevor eine neue Königin schlüpft, werden die Nachschaffungszellen zerstört und eine schlupfreife Zelle zugesetzt. Soll eine begattete Königin zugesetzt werden (je nach Jahreszeit), warte ich nochmals mindestens eine Woche (evtl. nochmals Zellen brechen). Durch einen derartigen Brutstopp reduziert sich meist auch die Zahl der Varroen. Sind die Völker schon zu stark durch Varroen oder Viren geschädigt, geht es aber meist trotzdem im Winter ein. Einen Versuch ist es aber wert, denn überleben würde ein derartiges Volk ohne Hilfe auf keinen Fall. Ich füttere im späten September nochmals. Damit kann ich „kranke“ Völker nochmals ausselektieren. Wird das Futter nur spärlich oder gar nicht abgenommen oder fliegen die Bienen auch bei kühlen Temperaturen auf, stimmt meist auch irgend etwas nicht. Da man zu dieser Jahreszeit nicht mehr viel machen kann, stelle ich derartige Völker auf einem eigenen Stand zusammen. Läßt man kranke Völker, die im Herbst oder Winter zusammenbrechen, bei den anderen stehen, kann es passieren, dass auch Völker eingehen, die ohne den Invasionsdruck aus den kranken zusammenbrechenden Völkern, den Winter überstanden hätten. Beim Lesen der Literatur über Bienenherkünfte mit Anzeichen von Varroatoleranz oder –resistenz fallen einige Besonderheiten auf: Die Bienen sind meist sehr schwarmfreudig und das Zellenmass liegt zwischen 4,7 und 5,1. Auf jeden Fall sind die Zellen kleiner als bei uns üblich (z. B. Afrikanische Bienen oder afrikanisierte Bienen in Südamerika). Deswegen verwende ich seit einigen Jahren ebenfalls Waben mit kleineren Zellen und versuche den Brutstopp, den die „Naturvölker“ durch das Schwärmen einbauen durch eine weisellose Zeit gegen Ende der Saison nachzuahmen oder auch, wie oben beschrieben, nach Bedarfs. D. h. im Normalfall teile ich meine Völker spätetens Mitte Juli, breche nach gut einer Woche die Nachschaffungszellen aus und beweisele sie entweder mit einer schlupfreifen Zelle oder setze nach einer weiteren Woche eine begattete Königin zu (je nach Jahreszeit). Diese Vorgehensweise muss auf jeden Fall an die herrschende Trachtsituation angepasst werden. Ich bin noch auf der Suche nach dem günstigsten Zeitpunkt.


Mir ist nicht ganz klar, ob Koller alle Völker medikamentfrei führt oder ob er ausschließlich auf einem Varroastand die Bienen ohne chemische Behandlung führt und nebenher konventionell imkert. Stark befallene Völker werden entweiselt und bekommen nach längerem Brutstopp eine neue Königin zugesetzt, obwohl die Aussicht auf Rettung derart angegriffener Völker nur selten gelingt. Meine künftige Methode ist, solche Völker mit AS zu behandeln und dann gegebenenfalls umzuweiseln. Ich zwinge meinen Bienen auch keine kleinen Zellen auf, sondern gebe nur noch Rahmen mit Anfangsstreifen, damit die Bienen ihr Zellenmaß selbst wählen können.

Wer varroaresistente Bienen haben will, sollte die Stecher nicht ausmerzen, da die Stichigkeit Abwehrbereitschaft anzeigt: Das Volk ist dabei, sich zu wehren, bzw. wehren zu lernen. Wer seine Stecher wegselektiert, wird wahrscheinlich nie resistente Bienen bekommen. Erst wenn wir resistente Bienen haben, können wir wieder nach Friedlichkeit selektieren.


Jungvölker und/oder Altvölker

Mir fiel bei meinen Versuchen weiter auf, dass Jungvölker eine weiteraus größere Überlebenschance haben, als Völker mit zwei –oder dreijährigen Königinnen. Momentan bin ich am Rätseln, warum ich Überwinterungsverluste habe, obwohl die Zahl der Varroen in den Völkern eigentlich nicht besorgniserregend hoch ist. Für das Überleben von Bienenvölkern muss es noch andere Parameter geben. Imker, aus verschiedenen Teilen Europas kommen mit den annähernd gleichen Bienenmaterial zu vollkommen unterschiedlichen Ergebnissen. In Dänemark oder Norwegen , z. B. liegen die Verluste gerade mal bei etwa 5 %, obwohl dort auch Altvölker überwintert werden. Ich tausche mit diesen Imkern deswegen nicht nur Königinnen, ich habe komplette Völker mit alten Königinnen, Waben und Bienen zu mir geholt. Sollten die Kontrollvölker in den Heimatländern überleben, die nach Deutschland importierten Völker dagegen eingehen, muss es noch andere Überlebensrisiken bei uns geben. Zu diesen Vergleichsversuchen wird später berichtet.


An dieser Passage wird erkennbar, dass das Thema "Akklimatisation" bei Koller keine Rolle spielt. Allerdings stellt er bereis die Frage, welche Kriterien zur Erlangung von Varroatoleranz bisher noch unberücksichtigt seien.

Ergebnisse

Mit dieser Kombination aus Betriebsweise und geeigneten Bienenherkünften komme ich ohne Varroabehandlung über die Runden. Die Winterverluste betragen rund 30 %. Weitere 20 % fallen im Laufe des Jahres für die Honigproduktion aus (Schwärme, Völker mit zu vielen Varroen, bei den Schwarmkontrollen verletzte Königinnen, usw). Die Verluste resultieren auch daher, dass ich versucht habe in der Vergangenheit zu viele Herkünfte zu testen.


50 % Verlust ist viel. Ich denke, man kann aus dieser Zahl schließen, dass es nicht auf Primorski oder Elgon ankommt. 50 % Überlebensrate schaffe ich mit meiner Landbiene auch! Ich bin sowieso davon überzeugt, dass Reinzucht und/oder Kreuzungszucht unter Verzicht auf Akklimatisation nicht das richtige Rezept zur Varroatoleranzzüchtung sind. Möglicherweise ist der völlige Verzicht von AS zu brutal. Warum nicht jene Völker, bei denen klar ist, dass sie es nicht schaffen, mit AS behandeln und sie dann aus dem Nachzuchtprogramm auszuschließen bzw. umzuweiseln?

Vorgehensweise für Nachahmer

Suchen Sie in ihrem Völkerbestand nach den Völkern mit den geringsten Milbenzahlen (entweder durch Auszählen des natürlichen Milbenfall oder mittels Alkohol-Waschmethode). Die Zahl der Varroen ist momentan die einzige Zahl, die man fassen und bewerten kann. Ob allerdings die Anzahl der Varroen der ausschlaggebende Faktor ist sei dahingestellt. Bei mir überleben auch Völker, die anhand der Varroazahlen eigentlich schon im Sommer eingehen müssten.

Stellen Sie die Völker mit den geringsten Milbenzahlen auf einen separaten Platz und überwintern sie diese Völker ohne Behandlung. 10 Völker sollten es schon sein.

Ziehen Sie im nächsten Jahr von den beiden besten Völkern nach stellen Sie die Jungköniginnen zur Begattung auf ihren Überlebensstand auf. Die Kriterien sollten so aussehen: Überleben ohne Varroabehandlung, Honigleistung , Schwarmträgheit. Selektieren sie nicht auf zu viele Merkmale. Die wichtigsten reichen vorerst.

Teilen Sie die überlebenden Völker spätestens im Juli und erweitern Sie damit ihren Überlebensstand. Mit dem Wachsen des Überlebensstandes können Sie die Anzahl der behandelten Völker reduzieren.

Wenn es mit ihren eigenen Bienen nicht klappt und ihnen die Rasse egal ist, greifen sie auf Bienen zurück, die bereits ohne Behandlung gehalten werden.

Suchen Sie sich nach Möglichkeit einen Mitstreiter in ihrer Nähe. In Depressionsphasen (und die werden mit Sicherheit eintreten) können Sie sich gegenseitig wieder aufrichten.


Diese Ratschläge sind im Großen Ganzen in Ordnung. Man muss die Milben, die ihre Wirtsbienen umbringen, bekämpfen, und die Milben, die milder sind, dürfen samt ihrer Wirtstiere überleben. Bei Kollers Methode ist das der Fall. Nicht einverstanden bin ich mit dem Rat, nur zwei Völker zur Vermehrung auszuwählen. Allzuschnell können dann Inzuchtschäden auftreten. Wenn man schon mindestens 10 Völker auf den Resistenzstand stellt, sollte man diese Vorteile dieser Völkerzahl auch nutzen und allen Völkern, die unbehandelt den Winter überleben, die Chance zur Vermehrung geben.

Zusammenfassung und Ausblick

Bei meiner Art des Imkerns ohne Varroabehandlung kann man von zwei Perspektiven betrachten: Das Glas ist halb leer oder das Glas ist halb voll. Als Optimist neige ich zu dem halbvollen Glas. Sicher ist für mich auf jeden Fall, dass ein Imkern ohne Varroabehandlung mit geeigneten Bienen und einer modifizierten Betriebsweise (Brutstopp, kleine Zellen) möglich ist.

Ein Problem ist, dass die Mehrzahl der Imker abwartet und auf eine „Superkönigin“ hofft, die alle Probleme lösen wird. Nach meinen Erfahrungen wird sich die Varroasituation nicht an einer „Superkönigin“ festmachen lassen. Das Überleben eines Volkes ohne Behandlung gegen die Varroose hängt nicht nur von der Königin ab. Wir haben bei uns ein Sprichwort, dass sich gut auf die Varroaresistenz- oder toleranzzucht anwenden lässt:

„Niad nougehm zwingd’s Eis!“ (nicht nachgeben (stur sein) bricht das Eis)

Über meine Emailadresse bin ich gerne bereit, Nachahmern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen

Mit dieser Kombination aus Betriebsweise und geeigneten Bienenherkünften komme ich ohne Varroabehandlung über die Runden. Die Winterverluste betragen rund 30 %. Weitere 20 % fallen im Laufe des Jahres für die Honigproduktion aus (Schwärme, Völker mit zu vielen Varroen, bei den Schwarmkontrollen verletzte Königinnen, usw). Die Verluste resultieren auch daher, dass ich versucht habe in der Vergangenheit zu viele Herkünfte zu testen.


Insgesamt betrachtet halte ich Kollers Methode einerseits als mutig, zumal er sich viele Feinde gemacht hat und er als Pionier auf dem Weg zu einer varroatoleranten Biene zu betrachten ist. Trotzdem halte ich seine Methode für verbesserungsfähig. Ich bin der festen Überzeugung, dass es das Beste ist, den Bienen den Weg zur Entwicklung lokal akklimatisierter Ökotypen zu eröffnen, indem man nicht auf Einfuhr irgendwelcher ausländischer Rassen, seien es Rassen aus Sibirien (Primorski) oder aus Afrika (Elgon), zurückgreift, sondern der Landrasse sein Vertrauen schenkt. Warum sich diese Exoten halten, warum auch noch die Buckfastbiene? Koller sollte sich nach Bienen umsehen, die in der Region von einfachen, nichtzüchtenden Imkern gehalten werden. Er sollte sich diese bereits akklimatisierte Biene holen und darauf achten, dass die Akklimatisation nicht durch Bieneneinfuhren zerstört wird. Dann wird die Lernfähigkeit des Biens voll durchschlagen - und das unterdrückte Genom der Dunklen Biene wird aufgrund besserer Anpassung sich wieder durchsetzen. Das Rassegemisch wird sich aufspalten, und die Fremdgene - alles, was aus Afrika, Sibirien und Italien stammt - werden auf natürliche Weise durch Winterverluste ausgesiebt werden. Zurück bleibt das Gute der Neuen Landrasse. Ich würde außerdem auf das kleine Zellenmaß verzichten und die Biene selbst entscheiden lassen, welche Zellgrößen sie bevorzugt. Eine Vorgabe der Zellgröße beschränkt die Lernfähigkeit des Biens. Außerdem würde ich danach trachten, nicht zu wenige Völker zur Nachzucht auszuwählen. Golz empfiehlt mit Recht die bessere "Negative Auslese": nur die schlechtesten Völker werden an der Vermehrung gehindert; die Majorität darf sich mehren.
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Ron Hoskins varroaresistente Bienen

Beitragvon hanjoheyer » Mo 15. Nov 2010, 13:05

http://www.welt.de/wissenschaft/article ... etten.html

Es gibt immer mehr Imker, die angeblich eine varroaresistente Bienen haben. Das lässt hoffen! Nur die Wissenschaft ist noch skeptisch und möchte offenbar die Lösung des Problems, von dem sich so schön leben lässt, hinauszögern. Siehe:

http://www.bienenaktuell.com/news/wisse ... arroamilbe

Man hofft auf neue Medikamente!

Außerdem heißt es: "Die Zucht varroatoleranter Bienen wurde hingegen aufgrund des derzeitigen Stands der Forschung zumindest mittelfristig als utopisches Ziel etwas in den Hintergrund gestellt."
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AGT - Arbeitsgemeinschaft Toleranzzucht

Beitragvon hanjoheyer » So 20. Feb 2011, 11:27

AGT - Arbeitsgemeinschaft Toleranzzucht

http://www.toleranzzucht.de/home/

Die AGT ist - ich möchte es mal so formulieren - eine Arbeitsgemeinschaft von Bienen-Züchtern, die aufgrund einer eindimensionalen Ideologie eine varroatolerante Biene züchten wollen. Eine Verzweiflungstat, denn selbst die offiziell genehmigte Bienenwissenschaft bescheinigt diesem Projekt bestenfalls einen langfristigen ("in frühestens 50 Jahren") Erfolg. Man könnte ja versucht sein, sich an diesen Strohhalm zu klammern, aber angesichts des südfranzösischen US-amerikanischen Berufsimkers John Kefuss, der diesen von der AGT für die ferne Zukunft avisierten Erfolg bereits heute hat, ist dieses Klammern einfach nur lächerlich!

John Kefuss Bienen sind bereits varroatolerant, bzw. resistent. Die deutsche Bienenwissenschaft (Büchler) hat ihm diesen "züchterischen Erfolg" offiziell bestätigt, hängt jedoch wohl aus beruflichem Interesse die Sache nicht gerade an die große Glocke, zumal hochdotierte Forschungsaufträge obsolet werden könnten. Kefuss nennt seine Methode, mit der er varroaresistente Bienen bekommen hat, die "Bond"-Methode, benannt nach 007 James Bond: "Leben und sterben lassen". Kefuss' Methode ist, keine Methode zu haben. Sein Zuchtverfahren ist der Verzicht auf Zuchtverfahren. Er überlässt dem Bien und der Natur die Bienenzucht. Seine Nichtmethode ist multidimensional wie die Natur selbst.

Kefuss weiß nicht (genau) wie seine Bienen "es" machen, aber sie machen "es". Unendlich vieles kommt in Betracht. Fliegen varroabesetzte Arbeiterinnen ab? Können die Pflegebienen, da ihre Fühler nicht von Ameisensäure verätzt sind, die Milben mit ihren Fühlern riechen und infizierte Brut ausräumen? Bauen die Bienen kleinere Brutzellen, um den Milben den nötigen Platz zu nehmen? Hat die Weisel ihr Verhalten bezüglich des Stiftens (Eierlegens) geändert? Hält sie im Winter eine längere Brutpause ein und stiftet im Frühjahr umso mehr? Ist die Lebensdauer der Arbeitsbienen länger oder kürzer? Konnten sich bei Kefuss' Bienen aufgrund des Säureverzichtes Schmarotzer oder Krankheitserreger der Schmarotzer einnisten? Sondern die Pflegebienen eine Stoff ab, der die Vermehrung der Milben hemmt? Haben die Bienen ein besonderes Putzverhalten angenommen? Können sie sich selbst oder gegenseitig von Milben befreien? Beißen sie den Milben die Beine ab? Welchen Einfluss haben die Drohnen auf die Milben?

Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, die Milbenlast loszuwerden. Die AGT-Züchter haben sich auf 2 Möglichkeiten beschränkt. Das nenne ich eindimensional. Einmal züchten sie die Bienen auf Verstärkung des Ausräumverhaltens. Die Bienen "lernen", tote Larven aus den Zellen zu entfernen. Ob sie auch varroabesetzte Brut entfernen, wird nicht geprüft und nicht explizit gezüchtet. Man hofft auf einen "Mitnahmeeffekt": Wenn die Bienen tote Larven ausräumen, räumen sie vielleicht (hoffentlich!) auch milbenbesetzte Larven aus. Das zweite "Standbein" der AGT-ler ist die Hoffnung, dass milbenbesetzte Drohnen schwächer sind und seltener zur Königinnenbegattung kommen. Auf diese Weise kommen bevorzugt Drohnen gesünderer Völker zum Zuge. Leider macht die AGT nun den Fehler, langjährig medikamentell behandelte Völker kurzfristig nicht mehr zu behandeln. Die Milbenzahl auf den Drohnen steigt, und so kommen milbenverseuchte Völker auf die Belegstellen.

So geht das nicht! Man kann doch nicht scheiternde Vatervölker zur Massenvermehrung auf Belegstellen bringen. Was soll der Unsinn? AGT-Befürworter können im Diskussionsthread gern mit mir darüber diskutieren.

Kefuss und ich müssen überhaupt nicht wissen, wie es die Bienen machen. Vertrauen wir auf die Natur und den Bien. Kefuss hat bewiesen, dass seine Nichtmethode funktioniert. Kefuss hat seine 600 Völker seiner Bondmethode ausgesetzt und verlor im ersten Jahr 3/4 aller Völker. Wer wie ich nur mit 15 oder 20 Völkern imkert, läuft Gefahr alle Völker zu verlieren. Deshalb habe ich die Bondmethode für die Verhältnisse eines Hobbyimkers zurechtgemacht, indem ich die sog. Schadschwellenmethode vorgeschaltet habe. Man behandelt nicht mehr pauschal alle Völker mit Ameisensäure, sondern zählt bei jedem Volk die Milben auf der Bodenwindel und behandelt nur noch jene Völker, bei denen der Milbentotenfall eine vorgegebene Schadschwelle überscheitet, zB ab 10 gefallen Milben täglich.

Im darauf folgenden Jahr wird, wenn "zu viele" Völker überlebt haben (es sollen nur 50 - maximal 70 % überleben!), die Schadschwelle erhöht, zB auf 15 Milben täglich. Überleben wieder zu viele Völker den folgenden Winter, wird die Schwelle weiter angehoben, zB auf 20 tote Milben täglich. Überleben zB nur 30 % - um so BESSER! Denn nun haben wir eine echte Auslese gehabt! Wir vermehren die Völker auf die Sollzahl (bei mir 20 Völker) und bleiben bei 20 toten Milben. Wenn wir mutig sind, erhöhen wir leicht auf 25 tote Milben täglich.

Auf diese Weise nähern wir uns innerhalb weniger Jahre an die Bond-Methode, bei der gar nicht mehr behandelt wird, an. Dann haben wir eine varroaresistente Biene!
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Re: Varroatoleranz

Beitragvon irbis » Mi 2. Mär 2011, 10:51

Also, ich werd mich kurz fassen.

Im Wesentlichen geht es darum, dass die Honigbienen, wie andere Insekten auch, in einer Starre überdauern können. Es gibt sogar eine Studie, die das im Grunde bestätigt, da sich die Seite auf mysteriöse Weise nicht verlinken läßt, einfach in die Suche eingeben:

Karel van Nerum + honeybee + diapause

Erster Eintrag sollte sein

" Hypoxia-Controlled Winter Metabolism in Honeybees." - das ist es.

Der Inhalt: Fällt der Sauerstoffwert innerhalb der Wintertraube auf 7,5%, fallen die Bienen in einen Tiefschlaf, ähnlich Diapause bei anderen Insekten.
Bei 15 Grad und Zufuhr von Sauerstoff wachen sie wieder auf. -

Nach bisherigen Erfahrungen kann diese Temperatur auch höher oder tiefer sein.

Da experimentell gekühlte und gefrorene Varroen diese Prozedur nicht überlebt haben, sehe ich hier den einfachen Grund, warum die Bienen die Milben so komplett los geworden sind.

Und weil die Forschung so gar nichts davon weiß und wissen will, kümmern wir uns jetzt drum.

Liebe Grüße
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Re: Varroatoleranz

Beitragvon Mannfred » Mi 2. Mär 2011, 13:48

Grüß Dich, Irbis

Daß Bienen aus einer bei Ihnen unter +10°C einsetzenden Kältestarre wieder erwachen können, ist klar.

Wie weit Sie überhaupt in der Lage sind Frost zu überleben, weiß ich nicht.

Daß ein Bienenvolk in der Wintertraube bemüht ist, die Randtemperatur nicht unter 13°C fallen zu lassen, ist bekannt.

Daß ein überwinterndes Bienenvolk sich gewollt einer Kältestarre aussetzt, wäre ein für mich bislang unbekanntes Phänomen.

Herzliche Grüße Manfred
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Re: Varroatoleranz

Beitragvon irbis » Mi 2. Mär 2011, 14:58

Hallo Manfred,

dieses "unbekannte Phänomen" ist in den Grundzügen schon in der Antike beschrieben, nachzulesen bei Columella, Marcus Terentius Varro und Plinius.

Die Bienen sind gut frostgeschützt, genauso wie andere Insekten, durch Trehalose.
Auch wenn Wikipedia versichert, siehe " Besonderheiten im Stoffwechsel", dass Honigbienen keine Trehalose bilden könnten

http://de.wikipedia.org/wiki/Westliche_ ... ite_note-5

so ist das klar widerlegt durch eine ausfühliche Studie über den Trehalose - Stoffwechsel.

Siehe
http://www.opus-bayern.de/uni-wuerzburg ... e/2002/88/

Vielleicht bessert den Unsinn auf Wikipedia, der x- mal abgeschrieben wurde, und den eine "nicht mehr verfügbare Quelle" hinterlassen hat, ja mal jemand aus.

Liebe Grüße
Irbis
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Re: Varroatoleranz

Beitragvon hanjoheyer » Mi 2. Mär 2011, 16:30

Hier die wohl entscheidenden Zitate:

1. aus der Dr.-Arbeit:

Bei höheren Stoffwechselraten sank die Trehalosekonzentra-tion, während die von Glucose und Fructose stieg; eine Ausnahme stellten Bienen dar, denen 15-prozentige Saccharoselösung gefüttert worden war. Da die Zuckerversorgung aus dem Kropf über den Proventrikel ausreichte, um auch die höchsten Stoffwechselraten zu ermöglichen, müssen die beobachteten Verläufe von einer Limitierung des Fettkörpers hinsichtlich der Trehalosesynthese herrühren. Die maximale Umwandlungs-rate von Glucose zu Trehalose im Fettkörper wurde daher auf 92,4 µg Glucose/ Minute berechnet.

2. aus Wikipedia (Westliche Honigbiene)

Eine Besonderheit bei den Honigbienen ist, dass sie in der Hämolymphe als Energielieferant den Einfachzucker Glucose haben, wie auch die Säugetiere in ihrem Blut. Die meisten anderen Insekten haben dagegen den Zweifachzucker Trehalose in der Hämolymphe. Als Folge davon sind die Honigbienen auch nicht als typisch wechselwarm zu bezeichnen. Sie erzeugen als Bienenvolk (Superorganismus) in der Vegetationszeit (Vorhandensein von Brut) eine konstante Temperatur von 35 °C. Bei einem Wert unter 10 °C erstarren sie und sterben ab. Andere Insekten erstarren nur bei noch tieferen Temperaturen und sind durch die andere Zusammensetzung ihrer Hämolymphe wie durch ein Frostschutzmittel geschützt.

Frage: Wie könnte man aus diesem Wissen nun eine neue Methode der Varroabehandlung ableiten?
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Re: Varroatoleranz

Beitragvon irbis » Do 3. Mär 2011, 17:19

Hallo Joachim,

tatsächlich gibt dies Anlaß für kühne Ideen.

So könnte man vielleicht die Bienen im Winter mit Hilfe eines Stückerls Trockeneis eine Runde schlafen schicken, die Milben erfrieren lassen, und die Bienen mit dem Haarföhn wieder aufwecken.

Eine weitere Idee wäre, dass ein erklecklicher Teil des "Bienensterbens" vielleicht darauf zurückzuführen ist und immer schon war, dass die Bienen einfach in Diapause sind, bei höheren Temperaturen wieder aufwachen würden, und die Milben sowieso futsch wären

Man könnte auch daran denken dass auf diese Ideen vielleicht schon wer gekommen ist, und sich krumm und schief lacht über Toleranzzuchtprogramme, Milbenzählerei etc.

Aber.
Was tun die Bienen nach dem Aufwachen.
Futter fast vollständig vorhanden, Körperreserven dicke da.
Die müssen gar nicht raus, und sie tun es auch nicht. Müssen nicht mal richtig aufs Klo.
Der Bienenvati schaut durch die Finger.

Was tun, damit die was arbeiten. Sie müssten im Winter irgendwie die Reserven verbrauchen, damit sie beim ersten schönen Wetter loslegen.
Verletzungen fachen Lebenskräfte und Fruchtbarkeit an - Weisheit aus der Antike.
Warum brüten die Bienen in den Winter hinein? Züchtung? Oder Folge von Verletzung?
Hmhm.

Pure Gedankenspielerei, selbstverständlich.

Liebe Grüße
Irbis
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