Re: Email von Kai Engfer
von hanjoheyer » Di 1. Nov 2011, 10:46
Hallo allerseits,
zu: "Die Frage nach der Akklimatisation wird m.E. hierbei auch überbewertet, denn die klimatischen Schwankungen über die Jahre gesehen sowohl in die eine als auch die andere Richtung sind mit Sicherheit nicht so groß, als dass sie die Bandbreite der Anpassungsfähigkeit unserer derzeit in Deutschland gehaltenen Bienen überfordern würden."
Das ist sicher richtig, aber nicht unbedingt für extreme Wettergeschehnisse. Die Grenze zwischen C- und N- Bienen hat sich herausgebildet, obwohl die Bienen in den meisten Jahren durchaus im rassefremden Gebiet gut leben können. Entscheidend sind Extreme. Tritt eine derartig exteme Wettersituation (zB ein kaltes, verregnetes Fühjahr) auf, verhungern die meisten C-Völker im N- Gebiet. Umgekehrt kann es der Fall sein, dass die Bienen nur in einem kurzen Frühling genug Honig für das ganze restliche Jahr sammeln können. Danach Trockenheit. Die N-Bienen im C-Gebiet konnten, da sie im Frühjahr schwächer sind, nicht genug Hoig sammeln und verhungern im Winter.
Da kommt mir gerade die völlig neue Idee: Wenn es so ist, wie oben geschildert, bilden sich diese Grenzen zwischen den Ökotypen und Rassen eigentlich nur, wenn die Bienen ohne menschliche Hilfe leben. Da die Imker den Honig ernten und sowieso genug füttern, gibt es keine natürliche Auslese mehr, die die Lebensräume der Rassen und Ökotypen begrenzt. Die Nordgrenze des Lebensraumes aller Bienen, selbst der italienischen, konnte erheblich nach Norden verschoben werden, seit die Imkerschaft die Beuten zur Verfügung stellt und im Spätsommer einfüttert.
Wenn nun europaweit alle Imker Landbienenhaltung incl. Einhaltung der 25-km-Regel praktizieren, würden sich voraussichtlich trotzdem diese natürlichen Grenzen zwischen den Rassen und Ökotypen auflösen.
Bedeutet diese für mich neue Erkenntnis, dass die Idee mit der Hunsrückbiene und den hunderten anderen Ökotypen allein der Dunklen Biene, wie es sie tatsächlich einmal gab, allein dadurch , dass wir mit den Bienen imkern, obsolet geworden ist? Sollte diese Idee überhaupt weiterverfolgt werden? Ich habe da mit einemmal große Zweifel.
Zu: Aber Hanjo, Du hast Dich noch nicht abschließend geäußert: Dunkle einkreuzen und anschließend es dabei belassen, oder jetziges Material veredeln und mal ne DNS Probe machen lassen?":
Wenn es stimmt, dass sich die natürlichen Grenzen zwischen den Rassen und Ökotypen allein durch die Existenz des Imkereiwesens mit Sicherheit auflösen werden, muss die Entscheidung, ob ich N-Bienen in meinen Bestand einkreuzen möchte, neu überdacht werden. Wir sind hier im N-Bienen-Gebiet, und durch das imkerliche Auffüttern können die C-Bienen hier möglicherweise genausogut überleben, wie die N-Bienen. Die klimatische Akklimatisation scheint mir in der Tat nicht mehr so entscheidend zu sein!
ABER: Es gibt ja noch andere Gründe. Nicht nur das Klima (das nicht mehr zählt!?), sondern auch die bakteriologische und parasitäre Umwelt spielen eine große Rolle bei der Herausbildung von Unterarten. Das Herumkutschieren von Bienen von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent, hat bewirkt, dass praktisch ALLE Krankheiten überall sind. Die Immunsysteme des Biens (und aller anderen Spezies) könnte überstrapaziert werden. Jetzt müssen unsere Bienen schon mit 2 Arten Nosema fertigwerden, und wenn der Bienentourismus weiter anhält, kriegen wir hier auch früher oder später den Beutenkäfer.
Meine neue Erkenntnis, die ich hier zur Diskussion stelle, legt nun nahe, dass das Einkreuzen von N-Bienen weniger wichtig für meine Pläne mit der Landbienenhaltung wäre oder?
Es ist auch noch nicht geklärt, ob die C-Biene im N-Gebiet trotz Fütterung wirklich in Sachen Robustheit und möglicher Varroaresistenz ebenbürtig ist. Vielleicht sollte die N-Biene wegen einer möglichen besserer Robustheit eingekreuzt werden und weniger wegen klimatischer Angepasstheit. Was meint ihr?
Wolfgang Golz schrieb in einer seiner Broschüren, dass er zur Probe einige Jahre lang auf einem Bienenstand Buckfastbienen hielt. Sie waren einige Jahre lang erfolgreiche Honigsammler, doch dann kam ein ungünstiger Winter und es zeigte sich - trotz Fütterung, - dass seine Landbienen im Endeffekt doch die besseren waren.